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Unterinvestiert und überreguliert
Es war nicht alles schlecht, was die 24. Bundesregierung unter Olaf Scholz in der Digitalpolitik zustande gebracht hat.
Das E-Rezept und die elektronische Patientenakte, Fortschritte im Glasfaserausbau und der Bund-ID oder die Einigung auf den Digitalpakt 2.0 können auf der Habenseite verbucht werden.
Holger Schmidt
Verantwortlicher Redakteur für Newsletter und Verticals.
Das war deutlich besser als ihre Vorgängerregierungen unter Angela Merkel. Doch gemessen an den Ansprüchen und Hoffnungen im Vorfeld oder gar der Notwendigkeit, die digitale Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, war auch diese Leistung (viel) zu schwach. Da die Welt immer digitaler wird, reicht es für Deutschland nur noch zu Rang 23 in der Welt.
Digitalisierung wird immer noch als lästige Notwendigkeit denn als Schlüssel zu Fortschritt und Wohlstand gesehen. „Viele Ökonominnen und Ökonomen sind sich einig, dass der Verlust des Euroraums an Wettbewerbsfähigkeit in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass es den hiesigen Unternehmen nicht gelungen ist, sich die durch Informations- und Kommunikationstechnologie möglichen Effizienzsteigerungen zunutze zu machen“, konstatierte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel schon im Frühjahr.
Tatsächlich wächst die Produktivität in den USA erst seit Beginn der modernen Digitalisierungsphase im Jahr 1995 deutlich schneller als in der Eurozone. Denn rund 80 Prozent des Produktivitätswachstums der amerikanischen Volkswirtschaft kommen inzwischen aus dem Silicon Valley. Dagegen beträgt der Beitrag der Digitalisierung in Deutschland weniger als 20 Prozent. Die Ursachen liegen primär in zu zaghaften Investitionen der Unternehmen in digitalen Technologien, aber auch in zu viel Regulierung des Staates.
Während die beiden digitalen Supermächte USA und China gerade mit voller Kraft in die Künstliche Intelligenz als nächste Basistechnologie investieren, taucht Digitalisierung in den Wahlprogrammen der Parteien für die nächste Bundestagswahl kaum auf. In einer alternden Gesellschaft ziehen Themen wie Rente, Migration und Erhalt des Status-Quo mehr als Transformation – was für die ökologische Transformation übrigens genau so gilt wie für die digitale.
Dabei wäre jetzt die (vielleicht letzte?) Chance, das Ruder mit einem entschlossenen Schritt herumzureißen. Künstliche Intelligenz ist der Treiber für viele neue Start-ups, eine schlankere Verwaltung, effizientere Prozesse und Automatisierung der Wirtschaft, die wir angesichts der demografischen Entwicklung so dringend brauchen. Das schafft der Staat nicht allein – dafür müssen wir uns alle am Riemen reißen und der (digitalen) Realität ins Auge blicken. Fangen wir doch 2025 damit an!
In diesem Sinne wünschen wir allen Leserinnen und Lesern unseres Briefings frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!
Auch die Redaktion der Digitalwirtschaft macht über die Feiertage eine kurze Pause. Das nächste Briefing erscheint am 2. Januar 2025 – ausnahmsweise an einem Donnerstag. Bleiben Sie uns bis dahin gewogen!
Ihr Holger Schmidt und das Team der Digitalwirtschaft
Der Suchmaschinenkonzern Alphabet hat eine neue, mächtige Funktion für Google vorgestellt: „Gemini 1.5 Pro with Deep Research“. Die Tiefensuche erfasst in einem Rutsch die Inhalte Dutzender Webseiten oder auch aus mehr als 100 Quellen und erstellt daraus einen meist intelligenten Bericht. Google übernimmt das Googeln.
Von Marcus Schwarze
Die neue Funktion Deep Research dürfte verändern, wie Studierende, Marktanalysten und Wissenschaftler künftig arbeiten. Denn in diesem Modus unter Google Gemini macht sich die KI zunächst einen ausführlichen Rechercheplan. Und arbeitet dann alle Zwischenschritte ab. Wir haben das mit den vermeintlichen UFO-Sichtungen in den USA insbesondere im Bundesstaat New Jersey ausprobiert. „Was hat es damit auf sich?“, fragten wir. Die KI schlug vor,
Wer sich mit einer amerikanischen IP-Adresse bei Gemini Advanced einwählt, erhält die Funktion „1.5 Pro with Deep Research“. D_24KW51_KI_Google_Deep_Research Screenshot: Marcus Schwarze/Gemini
Die generative KI tritt in eine neue Phase ein: Aus Innovationsprojekten werden Standardanwendungen. Vor allem die KI-Agenten sollen ein neues Level der Automatisierung ermöglichen – mit signifikanten Wettbewerbseffekten.
Von Holger Schmidt
KI-Optimismus hier, Skepsis und Sparen da: Der Umgang mit der (generativen) KI als nächster Basistechnologie ist regional sehr unterschiedlich. Während die Amerikaner und Asiaten ihr Investitionstempo hoch halten, regieren in Europa vielfach die Skeptiker und Sparkommissare. Das könnte Folgen haben: „Die Technologie hat einen makroökonomischen Hintergrund: Wer KI richtig einsetzt, kann sein Unternehmen in kurzer Zeit transformieren. Das geschieht gerade in Amerika – und es passiert nicht in Europa“, warnte Alex Karp, der Gründer von Palantir, zuletzt.
Wer krank oder im Urlaub ist, kann den KI-Agenten ins Meeting schicken. Zoom und der deutsche Anbieter Nextcloud entwickeln gerade neue KI-Funktionen – mit verschiedenen Zielen.
Von Nina Müller
Eric Yuan, der CEO von Zoom, träumte bereits im Juni davon, KI-Agenten in Meetings zu holen: „Ich kann eine digitale Version von mir schicken, damit ich zum Strand gehen kann“, sagte er in einem Podcast mit „The Verge“. Unternehmen wie Zoom, Microsoft Teams oder auch die deutsche Open-Source-Plattform Nextcloud entwickeln gerade KI-Agenten, die uns bei der Kommunikation am Arbeitsplatz unter die Arme greifen. Und die können schon jetzt deutlich mehr als E-Mails zusammenfassen.
Ein virtueller KI-Avatar, der in Zoom über die Funktion „Zoom Clips“ für Kurzvideos genutzt werden kann. Zoom
Von rückwärts denkenden Sprachmodellen bis zu geschickten Roboterhänden: Die dynamischen Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz schaffen enorme Möglichkeiten für Innovationen. Wir versorgen Sie mit den KI-Papers regelmäßig mit einem kuratierten Überblick über die neuesten Erkenntnisse in der Forschung.
Von Marcel Weiß
Die KI-Forschung orientiert sich zunehmend an menschlichen Fähigkeiten – mit beeindruckenden Ergebnissen. Diese Woche sehen wir, wie Sprachmodelle durch menschenähnliches Rückwärtsdenken bessere Ergebnisse erzielen, wie autonome Fahrzeuge durch vortrainierte Bewegungsmuster schneller reagieren können und wie eine Roboterhand durch Trial-and-Error lernt, präzise Bewegungen auszuführen. Zudem werfen wir einen Blick darauf, wie sich KI-Tools auf die kreative Arbeit auswirken.
Roboterhände: Präzision und technologische Innovation in der Robotik dpa
Kaum hatte Open AI seine finale Version von Sora präsentiert, zieht Google nach. Veo 2 bietet eine höhere Auflösung, längere Videos und realistischere Bilder.
Von Holger Schmidt
Google Deepmind hat mit Veo 2 die nächste Generation seiner KI-gestützten Videotechnologie vorgestellt. In der finalen Version soll das Modell Videos mit mehr als zwei Minuten Länge und einer 4K-Auflösung erstellen können. Damit würde Veo 2 die Fähigkeiten von Open AIs Sora, das auf 20 Sekunden und Full-HD begrenzt ist, übertreffen.
Laut Google Deepmind wurde die KI-gestützte Videotechnologie Veo 2, die ab 2025 schrittweise eingeführt wird, ausschließlich mit öffentlich zugänglichen Daten trainiert. Reuters
Der erste KI-Chatbot einer deutschen Influencerin ist gescheitert. Im Zentrum der Kritik steht eine 18-jährige Creatorin und eine KI-Firma aus dem Schwarzwald. Das Projekt lässt aber auf mögliche Potentiale schließen.
Von Nina Müller
Nur einen einzigen Nachmittag überlebte der erste offizielle KI-Chatbot einer deutschen Influencerin. Danach verschwand „Fibii AI“ wieder von der Bildfläche. Wie in privaten Nachrichten hätten Nutzer dort mit der Influencerin über alltägliche Themen sprechen können. Mit dem Unterschied, dass nicht ein Mensch, sondern eine KI die Antworten gibt.
Ein Abonnement für Fibis Chatbot hätte 1,49 Euro pro Woche oder 4,99 Euro im Monat gekostet. Picture Alliance
Open AI hat seine Internetsuche allen Nutzern zur Verfügung gestellt. Bisher hatten nur zahlende Kunden Zugriff. Die ChatGPT-Suche verarbeitet nun Echtzeit-Informationen aus dem Internet, um passende Antworten zu formulieren. Open AI tritt damit in den direkten Wettbewerb zu Perplexity und You.com.
Databricks
gehört zu den großen KI-Profiteuren. Das Unternehmen hat gerade die Rekord-Finanzierungsrunde von 10 Milliarden Dollar erhalten und damit seine Bewertung auf 62 Milliarden Dollar erhöht. Databricks wird von sehr vielen großen Unternehmen genutzt, die ihre Daten für die Künstliche Intelligenz aufbereiten müssen.
In ihrem jüngsten Vorstoß gegen China werden die USA Unternehmen wie Google und Microsoft ermächtigen, international als Torwächter für den begehrten Zugang zur Rechenleistung von
KI-Chips in der Cloud zu fungieren. Die Unternehmen müssten allerdings strenge Anforderungen erfüllen, darunter die Meldung von Schlüsselinformationen an die US-Regierung und die Sperrung des chinesischen Zugangs zu KI-Chips.
Softbank-CEO Masayoshi Son kündigte bei einem Besuch des künftigen US-Präsidenten Donald Trump Investitionen in Höhe von
100 Milliarden Dollar in den nächsten vier Jahren an. Der Investor versprach in der gemeinsamen Erklärung mit Trump, 100.000 Arbeitsplätze mit Schwerpunkt auf Infrastruktur für künstliche Intelligenz zu schaffen.
Der
CEO von Honeywell prophezeit den Untergang von Unternehmen, die sich nicht auf KI einlassen. „In der heutigen Welt lebt man in der Vergangenheit, wenn man sich nicht verändert“, sagte Vimal Kupar auf der Fortune Global Forum Konferenz in New York. „Wenn du dich dagegen wehrst, bin ich mir sicher, dass es dich erwischen wird.“
Förderung für E-Autos und Ladeinfrastruktur soll zurückgenommen werden. Stattdessen soll Geld in die Produktion von Batteriematerialien fließen, um der Dominanz der chinesischen Anbieter zu begegnen.
Von Holger Schmidt
Dass der künftige US-Präsident Donald Trump die 7500-Dollar-Gutschrift beim Kauf eines Elektroautos kippen wird, war erwartet worden. Dass aber auch die Förderung der Ladeinfrastruktur gestoppt werden soll, hat dann doch überrascht.
Waymo nimmt mit seinen autonomen Autos den Taxi-Diensten Uber und Lyft inzwischen spürbar Marktanteile in San Francisco ab. Mit jeder Expansion in neue Städte gerät das Geschäftsmodell der Plattformen stärker unter Druck und versetzt den Aktienkursen einen Schlag. Der nächste Schritt von Waymo ist der Start in Tokio.
Nvidia hat in diesem Jahr 200 Mitarbeiter in China eingestellt, um sich auf neue Technologien für autonomes Fahren zu konzentrieren. NVIDIA will ähnlich wie in der KI zu einem Systemlieferanten für autonome Autos werden und stockt dieses Geschäft in aller Welt auf.
Nach den Schockwellen bei VW und Mercedes denkt nun offenbar auch
Porsche über einen Stellenabbau nach. Auslöser auch hier das schwache China-Geschäft, wo Autos wie der Xiaomi SU7 (und bald der XU 7) den Absatz des Taycan haben einbrechen lassen und der elektrische Macan wegen der Softwareprobleme zu spät kommt.
Xiaomi will seine beiden Erstlingsautos SU7 und XU7 auch in Europa vertreiben. Der SU 7, der vollautomatisiert ausschließlich von Robotern zu extrem niedrigen Kosten herstellt wird, ist in China als „Porsche-Killer“ spektakulär gestartet. Nun soll der Erfolg offenbar auch in Europa wiederholt werden.
Was Google vor wenigen Tagen in Sachen Künstlicher Intelligenz (KI) vorgestellt hat, lohnt einen vertiefenden Blick. Denn künftig kann die KI sehen, hören und sprechen – und ist auf dem Handy und auf dem eigenen Desktop auf Wunsch allgegenwärtig.
Von Marcus Schwarze
Am einfachsten veranschaulicht die Neuerungen ein Video, das das amerikanische Unternehmen zeitgleich mit einer neuen Version von „Google AI Studio“
veröffentlichte. Darin ist ein junger Mann mit seinem Handy in London unterwegs. Permanent hat er das Handy vor sich auf seine Umgebung ausgerichtet. Er befragt das Handy mündlich: „Was ist das für eine Skulptur?“ Die Maschine blickt auf das Kunstwerk und identifiziert es als „My World and Your World“ von Eva Rothschild. Die KI spricht.
Man befragt das Handy mündlich: „Was ist das für eine Skulptur?“ Die Maschine blickt auf das Kunstwerk und identifiziert es als „My World and Your World“ von Eva Rothschild. Die KI spricht. Das Video dazu ist im Text zu sehen. F.A.Z.
Prompts sind klare Anweisungen an die Künstliche Intelligenz (KI). Die folgenden zehn Prompttechniken sollte jedermann als Werkzeuge kennen und können, wenn er das Beste aus der KI herausholen möchte.
Von Marcus Schwarze
Ob ChatGPT von Open AI, Claude von Anthropic oder Google Gemini: Alle KI-Dienste benötigen eine besondere Ansprache, um brauchbare Ergebnisse zu liefern. In den vergangenen zwei Jahren hat die generative KI dank neuer Trainings der Hersteller deutlich zugelegt. Das gelang auch durch deren Fähigkeit, anhand der Benutzerreaktionen zu lernen. Wer bei ChatGPT nach einer Antwort mit einem nach unten gesenkten Daumen reagiert, wird weiter befragt: „Faktisch nicht richtig“, „Der Stil gefällt mir nicht“ und „Unsicher oder problematisch“ sind als Feedback beispielsweise auswählbar. So entsteht im internationalen Maßstab ein immer feiner verwobenes Wissen. Entscheidend ist, wie „gut“ der Prompt formuliert wurde. Dafür haben sich einige Regeln herauskristallisiert.
Wer auf die Antwort der KI zu seinem Prompt einen nach unten gerichteten Daumen anklickt, kann sie darin anleiten, künftig verbessert zu reagieren. Screenshot Marcus Schwarze/Open AI, Text KI-generiert