Der F.A.Z. Newsletter für Nachrichten und Analysen zur digitalen Wirtschaft
Digitalisierung ist Werkzeug – nicht Feigenblatt
Es geht doch. Zumindest an acht Stellen im Ergebnispapier der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD findet die Suche den Begriff „Digitalisierung“.
Dabei geht es explizit um den Rückgewinn der Leistungsfähigkeit des Staates: „Wir wollen unseren Staat wieder leistungsfähig machen durch eine grundlegende Modernisierung, Reformanstrengungen, einen umfassenden Rückbau der Bürokratie und durch Digitalisierung.“ Nun denn. Zurückgewinnen kann man nur, was man verloren hat. Aber lieber spät als nie.
Die künftigen Koalitionäre versprechen, sie wollten „Digitalisierung voranbringen“ Auch gut. Es heißt: „Die Digitalisierung ist zentral für die Modernisierung des Staates – sie macht Verwaltung effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher. Dazu müssen digitale Behördengänge flächendeckend ermöglicht, Datenregister vernetzt und Verwaltungsprozesse automatisiert werden. Ein einheitliches Bürgerkonto soll den Zugang zu digitalen Diensten erleichtern. Zudem braucht es neue Kompetenzzuordnungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.“ Stimmt. Vor allem der letzte Satz.
Es stimmt durchaus positiv, dass Digitalisierung offenbar in dem ganzen Trubel nicht wieder vom Tisch gefallen ist und im großen Kehraus nach der Sitzung hinausgefegt wurde.
Allerdings geht es in den folgenden Koalitionsverhandlungen darum, dass diese Beschlüsse keine Worthülsen bleiben, sondern in klare Handlungsstränge gewandelt werden. Zu oft schon sind digitale Projekte fulminant gestartet und als Bettvorleger geendet. Digitalisierung steht am Anfang der Veränderung und kann nicht am Ende als „Topping“ hinzugefügt werden. Wer es also ernst meint mit der Digitalisierung, muss sie als angewandtes Werkzeug verstehen, und nicht als Feigenblatt.
Ein wirklich erfolgreiches Online-Zugangs-Gesetz (OZG) zum Beispiel braucht in der Umsetzung Budget, Mut und den Willen zur Veränderung im Bund und vor allem auch in den Ländern. Alles etwa zu gleichen Teilen. Ein kompetent und klug aufgesetztes Digitalministerium könnte hier helfen.
Es geht aber nicht nur um eine Digitalisierung der Verwaltung. Auch klassische und neue Branchen müssen sich in Europa stärker mit dem Thema beschäftigen, um nicht noch stärker abgehängt zu werden.
Andere Briefings fragen an dieser Stelle immer: „Warum ist das wichtig?“
Um das zu beantworten, rate ich zur Lektüre unserer Beiträge von Marcus Schuler und Marcel Weiß.
Schuler beschreibt, was die jungen amerikanischen Unternehmen inzwischen in Sachen Digitalisierung des Rüstungssektors anstellen und wie diese staatlich gefördert wird.
Weiß
beschreibt, wie das chinesische Cluster rund um die Universität in Hangzhou versucht, den Erfolg der Stanford Universität in Kalifornien nachzuahmen. Also Innovation aus einer Mischung von High-End-Forschung, Unternehmen, Start-ups, Staat und Venture Capital zu generieren. Ähnlich gehen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate vor, schreibt meine Kollegin Nina
Müller. Das Rezept scheint im Mittleren Osten und in China zu funktionieren – steht aber bisher nicht auf der gutbürgerlichen deutschen oder europäischen Speisekarte.
Aber das soll sich ja jetzt ändern.
Wir wünschen eine interessante Lektüre des Briefings und senden beste Grüße aus der Redaktion
Stargate, Paris, Italien: Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) versprechen, weltweit Milliardenbeträge in Künstliche Intelligenz zu investieren. Und Saudi-Arabien wird zum Magnet für KI-Rechenzentren.
Von Nina Müller
Investitionen in die Künstliche Intelligenz sollen den Golfstaaten helfen, ihre Wirtschaft breiter aufzustellen. Dafür halten die Regierungen der Emirate und Saudi-Arabiens Milliardensummen bereit. Vor genau einem Jahr gründete die Regierung von Abu Dhabi die Investmentgesellschaft MGX, um international in KI-Technologien zu investieren.
Spätestens seit Deepseek schauen alle nach China. Welche KI-Innovation kommt als Nächstes aus der Volksrepublik? Alibaba spielt mit seinen Qwen-Modellen längst vorn mit und überholte gerade R1. Gleichzeitig baut China Topuniversitäten und staatliche Unterstützung für KI massiv aus.
Von Marcel Weiß
Deepseek hat Ende Januar dieses Jahres für Aufsehen gesorgt. Völlig zu Recht hat die Tochter eines chinesischen Quant-Fonds doch mit ihrem LLM V3 und dem daraus distillierten Reasoning-Modell R1 gezeigt, dass China an der vordersten KI-Front mitspielen kann.
Seit Deepseek blickt die KI-Welt gespannt nach China, wo Innovationen wie dieser Roboter und Alibabas Qwen-Modelle die Zukunft gestalten Picture Alliance
Endlich ist es soweit. Amazon stellt mit Alexa+ einen Sprachassistenten vor, der das erfüllen soll, was Alexa vor über zehn Jahren zum Launch bereits versprochen hatte. Damals wollte Jeff Bezos einen sprechenden Computer im Stil von Star Trek bauen. Seit geraumer Zeit ist die KI-Technologie dafür reif. Warum kommt also das Update erst dieses Jahr?
Von Marcel Weiß
Am 6. November 2014 stellte Amazon seinen Sprachassistenten Alexa für seinerzeit zunächst nur Amazon-Prime-Mitglieder vor. Am 23. Juni 2015 wurde Alexa für alle Kunden in den USA freigeschaltet. Im Oktober 2016 schließlich kam Alexa auch nach Deutschland.
Alexa+ wird zu einem Preis von 19,99 Dollar pro Monat in den USA verfügbar werden. Reuters
Das Cloud-Computing-Unternehmen Core Weave
hat einen fünfjährigen Vertrag in Höhe von 11,9 Milliarden Dollar mit Open AI abgeschlossen, hauptsächlich zur Bereitstellung von Cloud-Rechenzentren mit Nvidia-GPU-Beschleunigern für das Training und den Betrieb von KI-Modellen. Zusätzlich sichert sich Open AI Unternehmensanteile im Wert von 350 Millionen Dollar im Rahmen des bevorstehenden Börsengangs von Core Weave, das eine 35-Milliarden-Dollar-Bewertung anstrebt.
Das chinesische Start-up
Manus AI und das Team hinter Alibabas Qwen KI-Modellen gehen eine strategische Partnerschaft ein, um gemeinsam an einem allgemeinen KI-Agenten zu arbeiten. Trotz viraler Popularität und technischer Herausforderungen ist der Zugang zu Manus AI zunächst exklusiv. Durch die Partnerschaft soll Manus als KI-Agent in chinesische KI-Modelle und Computerplattformen integriert werden.
Salesforce
hat eine neue Version der KI-Agentenplattform Agentforce 2dx vorgestellt, die sich speziell an Softwareentwickler richtet und KI-Agenten in bestehende Anwendungen integriert. Die Plattform ermöglicht, Low-Code- und Pro-Code-Tools zu nutzen und stellt Echtzeitdaten zur Optimierung der Leistung von KI-Agenten bereit. Außerdem soll der Salesforce-Marktplatz erweitert werden. Dort stellen Partner ihre gebrauchsfertigen Agenten bereit.
Open AI
könnte eine neue Reihe von KI-Agenten einführen, die monatlich zwischen 2000 und 20.000 Dollar kosten, um anspruchsvolle Aufgaben zu unterstützen. Das Angebot umfasst einen Agenten für Fachkräfte, einen fortschrittlichen Programmier-Agenten für Entwickler und Ingenieure sowie einen Premiumdienst für Forschungsarbeiten auf Promotionsniveau. Langfristig soll der Dienst 20 bis 25 Prozent der Einnahmen von Open AI ausmachen.
Einer
Studie im Auftrag von SAS
zufolge kann KI eine entscheidende Rolle beim Schließen der globalen Versicherungslücke von 1,8 Billionen Dollar spielen. Fast die Hälfte der befragten Versicherer hält den Einsatz von Technologien, einschließlich KI, für effektiv, um Versicherungsprodukte erschwinglicher zu machen. KI ermöglicht verbesserte Risikobewertungen, personalisierte Policenangebote und effizientere Schadenbearbeitung.
Die amerikanische Verteidigungsindustrie verändert sich. Techunternehmen aus dem Silicon Valley brechen die Vormachtstellung der klassischen Rüstungskonzerne. Diese Entwicklung ist mehr als ein wirtschaftlicher Machtwechsel – sie verändert das militärische Denken.
Von Marcus Schuler
Der Krieg in der Ukraine zeigt, warum dieser Wandel jetzt kommt: Moderne Konflikte brauchen neue Technologien. Künstliche Intelligenz, Drohnen und elektronische Kriegsführung entscheiden über Sieg oder Niederlage. Die alten Verteidigungsunternehmen können diesen Bedarf nicht decken – zu langsam, zu unflexibel. In diese Lücke stoßen nun Firmen wie Anduril Industries oder Scale AI.
Drohnen verändern zunehmend das Gesicht der Kriegsführung: eine Anduril Ghost X-Drohne AFP
Mit einer neuen Durchführungsverordnung schafft Donald Trump eine strategische Bitcoin-Reserve für die USA. Ein kluger Schachzug gegen geopolitische Rivalen oder nur Symbolpolitik?
Von Alexander Bechtel
Donald Trump bleibt seinem Stil treu. Nach knapp zwei Monaten im Amt unterzeichnet er weiterhin eine Durchführungsverordnung nach der anderen. Am 6. März rückte erneut die Kryptowelt in den Fokus. Der US-Präsident gab die Schaffung einer strategischen Bitcoin-Reserve bekannt und lud am nächsten Tag führende Vertreter der amerikanischen Kryptoindustrie zu einem Gipfeltreffen ins Weiße Haus ein.
Donald Trump gab nach knapp zwei Monaten im Amt die Schaffung einer strategischen Bitcoin-Reserve bekannt, die er als „digitales Fort Knox“ bezeichnet. AP
Das deutsche Start-up Alpine Eagle
hat eine Finanzierung von mehr als 10,25 Millionen Euro von europäischen Investoren erhalten, um seine kosteneffiziente Drohnenabwehrtechnologie Sentinel weiterzuentwickeln. Das luftgestützte System des Start-ups kann feindliche Drohnen erkennen und mithilfe von Kamikaze-Drohnen abwehren. Sentinel wurde bereits erfolgreich bei der Bundeswehr eingesetzt und nun in der Ukraine getestet.
Die Zahl der deutschen
Start-ups mit Milliardenbewertung
hat sich seit 2020 mehr als verdoppelt, von 11 auf 28 „Unicorns“ Ende 2024, trotz eines Rückgangs gegenüber dem Rekordjahr 2023 mit 34 Unicorns. Technologische Innovationen wie KI und Cloud-Computing treiben diesen Trend voran. Die Tech-Branche ist jedoch weiterhin auf ausländisches Kapital angewiesen. Die Chefin des Start-up-Verbandes Verena Pausder fordert, dass Börsengänge in Deutschland attraktiver werden müssen, da es viele europäische Tech-Unternehmen zum Börsengang in die USA ziehe.
Der insolvente Flugtaxihersteller
Volocopter
aus Baden-Württemberg steht kurz vor einer Übernahme durch den chinesischen Autozulieferer Wanfeng, der über seine österreichische Tochtergesellschaft Diamond Aircraft die Entwicklung elektrischer Multikopter fortführen könnte. Wanfeng, das bereits 55 Prozent der Anteile an Diamond Aircraft hält, will 160 Volocopter-Mitarbeiter übernehmen. Die endgültige Struktur der Integration ist noch unklar. Experten schätzen, dass in China bis 2030 etwa 100.000 Flugautos unterwegs sein könnten.
Die Fast-Food-Kette
McDonald's
will 43.000 seiner Restaurants technologisch erneuern und setzt dafür auf KI und Edge-Computing. In Fritteusen oder McFlurry-Maschinen (zur Eisherstellung) sollen Sensoren installiert werden, deren Echtzeitdaten mittels KI analysiert werden, um die Wartung zu verbessern. KI-gestützte Computer Vision-Technologie soll Bestellungen per Kamera prüfen, bevor sie an den Kunden gehen, Drive-ins werden mit KI-Sprachtechnologie ausgestattet und ein KI-gesteuerter virtueller Manager könnte bald die Schichtplanung übernehmen.
Der Tiktok Shop startet in wenigen Wochen in Deutschland. Was bedeutet das für die Branche, wenn Tiktok den Onlinehandel neu definiert?. Das Potential ist groß, die Mission aber kein Selbstläufer. Es gilt aber: Wer nicht auf Tiktok präsent ist, existiert für viele potentielle Kunden schlicht nicht.
Von Stefan Wenzel
Bytedance ist das Unternehmen hinter Tiktok und seinem chinesischen Pendant Douyin. 2012 in Peking gegründet, gehört es mit einer Bewertung von über 300 Milliarden Dollar zu den wertvollsten Technologieunternehmen der Welt. Mit mehr als 130.000 Mitarbeitern ist Bytedance in über 150 Ländern aktiv, der Gesamtumsatz lag im vergangenen Jahr bei rund 100 Milliarden Dollar, das EBITDA bei rund 40 Milliarden Dollar. Der Umsatzanteil außerhalb Chinas lag im vergangenen Jahr bereits bei über 20 Prozent, Tendenz steigend.
Das Erfolgsrezept von TikTok: Unterhaltung mit Verkauf verbinden, ohne den Dopaminfluss zu unterbrechen. TikTokShop/Screenshot F.A.Z.
Google führt ein experimentelles Feature namens „AI Mode“ in seiner Suchfunktion ein, das es Nutzern ermöglicht, komplexe und mehrteilige Fragen direkt innerhalb der Google-Suche zu stellen. Damit greift Google die Suchfunktionen der KI-Suchmaschine Perplexity und
ChatGPT an. Der „AI Mode“ ist zunächst nur für Google One AI Premium-Abonnenten verfügbar und nutzt eine angepasste Version von Gemini 2.0.
Discord
, die beliebte Kommunikations-App mit mehr als 200 Millionen monatlichen Nutzern, befindet sich Medienberichten zufolge in frühen Gesprächen über einen Börsengang. Die Gespräche mit Investmentbankern sollen sich noch in der Erkundungsphase befinden, daher bleibt Discord hinsichtlich Spekulationen über seine Pläne zurückhaltend. Das Unternehmen hatte 2021 ein Kaufangebot von Microsoft in Höhe von 10 Milliarden Dollar abgelehnt und wurde zuletzt mit 14,7 Milliarden Dollar bewertet.
Eric Schmidt
, ehemaliger CEO von Google, ist nun CEO des Raketen-Startups Relativity Space, das an der Entwicklung eines wiederverwendbaren Raketenmodells namens Terran R arbeitet. Schmidt ersetzt den Mitgründer Tim Ellis und soll eine „bedeutende Investition“ in das Unternehmen getätigt haben. Er tritt damit in die Fußstapfen anderer Tech-Unternehmer wie Elon Musk und Jeff Bezos, die mit ihren Unternehmen SpaceX und Blue Origin ebenfalls in der Raumfahrtbranche aktiv sind.
Spracherkennung und Sprachsteuerung bekommen durch Künstliche Intelligenz eine neue Qualität. Plötzlich erhalten Menschen einen Gesprächspartner, der das Gefühl von Einsamkeit mindern kann.
Von Marcus Schwarze
Siri und Alexa waren seit jeher reduziert in ihren Funktionen. Die Sprachassistenten vermochten zwar Lichtschalter steuern und eine Wettervorhersage aussprechen, doch für ernsthafte Gespräche über Gott und die Welt, Trump oder die Schuldenbremse taugten die Gesellen kaum. Das ändert sich jetzt. Open AI hat in seiner Smartphone-App ChatGPT mehrere Stimmen hinterlegt, mit denen Nutzer sprechen können – wie mit einem Menschen.
Roboterhund Aibo erkennt Gesichter und 50 Sprachkommandos. KKPCW/Wikipedia, CC BY-SA 4.0
Das Sprachmodell Grok 3 hat nach Meinung mancher Fachleute inzwischen ChatGPT bei der Antwortqualität von Künstlicher Intelligenz überflügelt. Ein Blick auf die wichtigsten Regeln, um aus der KI das meiste herauszuholen.
Von Marcus Schwarze
Grok heißt die KI von Elon Musks Firma xAI in Anlehnung an den Science-Fiction-Roman „Fremder in einer fremden Welt“ von Robert A. Heinlein. Dort bedeutet „grok“, etwas oder jemanden tief zu verstehen – nicht nur oberflächlich, sondern mit Empathie und Einsicht. Grok soll über bloßes Faktenwissen hinausgehen.
Grok entwickelt Fähigkeiten, die dem etablierten ChatGPT kaum nachstehen. Screenshot: Marcus Schwarze/Grok