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Wie schön, dass du erfunden bist
Am Wochenende feierte ChatGPT, der Chatbot von Open AI seinen zweiten Geburtstag. Die KI ist jedoch längst erwachsen geworden.
Erstmals nutzt jeder zweite Deutsche generative KI, zeigt eine aktuelle Forsa-Studie im Auftrag des TÜV-Verbandes. Passend dazu feierte ChatGPT am 30. November Jubiläum: Vor zwei Jahren wurde der Chatbot erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Grund, die Korken knallen zu lassen, denn dieser Tag hat viele Steine ins Rollen gebracht.
Die generative KI kann heute weit mehr als Hausaufgaben machen, Excel-Tabellen befüllen und lustige Bilder generieren. Schon heute ist sie aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Spezialisierte Systeme helfen beim maschinellen Auswerten von Patientendaten und unterstützen Entscheidungsprozesse. Der Philips Future Health Index zeigt: 85 Prozent der führenden Organisationen im Gesundheitswesen weltweit geben an, bereits in generative KI zu investieren oder in den kommenden drei Jahren investieren zu wollen.
Die KI fand ihren Weg auch in die Robotik – und damit gleichzeitig in die Industrie. KI-gesteuerte Roboter können eigenständig in ihrem Aufgabenbereich lernen und sich flexibel an neue Produktionsbedingungen anpassen. Tesla und Figure AI arbeiten währenddessen an KI-gesteuerten Humanoiden, die in Zukunft zu Allzweckrobotern werden könnten. KI ist zu einer neuen Basistechnologie aufgeblüht, die der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft Holger Hanselka gerne auf eine Stufe mit der Erfindung der Dampfmaschine stellt.
Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Vertreter der „Dead Internet Theory“ befürchten etwa, dass die Flut an KI-generierten Inhalten langsam das Internet zumüllt und echte Inhalte verdrängt werden. Außerdem kostet es jede Menge Energie, KI-Modelle zu trainieren und am Laufen zu halten. Amazon will in den nächsten zehn Jahren 100 Milliarden Dollar in Rechenzentren auf der ganzen Welt investieren. Und in Deutschland könnte der Energieverbrauch großer Rechenzentren bis 2030 auf etwa 30 Milliarden kWh pro Jahr ansteigen – einer Menge an Strom, mit der das Land Luxemburg mehr als vier Jahre lang über die Runden kommen könnte.
Umso wichtiger wird die Architektur der Chips, auf denen die Berechnungen für die Künstliche Intelligenz laufen. Zwischen den USA und China spitzt sich deshalb gerade ein Handelskonflikt zu, weil beide die fortschrittlichsten KI-Chips im eigenen Land entwickeln wollen. Die USA verhängen Sanktionen – China antwortet mit Exporteinschränkungen wichtiger Rohstoffe für die Halbleiterproduktion. Während ChatGPT zwei Jahre alt wird, ist KI längst zum Milliardengeschäft geworden.
Zugegeben, all den Ruhm – oder die Schuld – ChatGPT zu geben, ist weder fair noch richtig. Die Forschung um Machine Learning und Künstliche Intelligenz reicht viele Jahrzehnte zurück. Auch deutsche Erfindungen wie die 1991 entwickelte xLSTM-Technologie von Sepp Hochreiter oder die Forschung von Jürgen Schmidhuber aus München haben wichtige Grundsteine für die Künstliche Intelligenz gelegt.
Doch der Start von ChatGPT war für viele Nicht-Informatiker eine Art Bewusstseinserweiterung und hat die Debatte über Künstliche Intelligenz in die Mitte der Gesellschaft geholt. Und die aktuellen Themen dieser Debatte möchten wir auch diese Woche wieder zu Ihnen bringen.
Vorerst aber noch ein Hinweis in eigener Sache: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erweitert ihr Angebot an Bezahl-Newslettern mit dem neuen F.A.Z. PRO Finanzen, der nun wöchentlich am Dienstag erscheint. Mitunter erwarten Sie darin Analysen, praxisnahe Ratschläge und Orientierungshilfen für Ihre Finanzentscheidungen. Wenn das interessant klingt, laden wir Sie ein, das Briefing für zwei Monate kostenlos zu testen. Hier gelangen Sie zur Anmeldung:
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Wir wünschen eine spannende Lektüre unseres Briefings
Die Börse hat einen neuen Liebling. Applovin ist ein mobiles Werbenetzwerk, dessen Aktienkurs seit Jahresbeginn schon 745 Prozent zugelegt hat und sich im November noch einmal verdoppelt hat.
Von Holger Schmidt
Als Donald Trump am 5. November zum nächsten US-Präsidenten gewählt wurde, wurden zwar seine Unterstützer Elon Musk und Peter Thiel um viele Milliarden Dollar reicher. Doch die breite Rally blieb aus, obwohl die Quartalszahlen überwiegend positiv ausfielen. Vor allem die Chipaktien kamen unter Druck. SK Hynix, Arm, Broadcom, Taiwan Semiconductor und sogar Nvidia standen im November auf der Verliererseite. Auf der Gewinnerseite standen neben dem neuen Superstar Applovin auch Xometry, Affirm Holdings und Upstart. Unsere Digitalaktien des Monats November.
Die Dichte der Industrieroboter ist eine wichtige Kennzahl für den Automatisierungsgrad des produzierenden Gewerbes. Nun hat China erstmals Deutschland überholt.
Von Holger Schmidt
China ist beim Robotereinsatz in der Industrie an Deutschland vorbeigezogen: In der Weltrangliste rückt China mit einer Roboterdichte von 470 Einheiten je 10.000 Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe auf den dritten Rang vor, zeigt der Jahresbericht der International Federation of Robotics (IFR).
China
hat den Export von Gallium, Germanium und Antimon in die USA verboten und die Kontrolle von Graphitexporten verschärft. Diese Maßnahme ist eine Reaktion auf die strengen Chip-Sanktionen der amerikanischen Regierung. Mit diesem Schritt nutzt China seine Position als wichtiger Lieferant dieser für die Halbleiterindustrie bedeutenden Materialien, um Druck auf die USA auszuüben.
Huawei
hat neue Smartphone-Modelle mit Chips aus China präsentiert, was die Fortschritte Chinas in der Halbleitertechnologie trotz US-Sanktionen demonstriert. Experten werten dies als Indikator für Chinas wachsende Unabhängigkeit in der Chip- und Technologiewirtschaft.
Intel-CEO Pat Gelsinger
hat überraschend seinen Rücktritt erklärt und das Unternehmen inmitten einer turbulenten Phase zum 1. Dezember verlassen. Bis ein Nachfolger gefunden wird, übernehmen David Zinsner und Michelle Johnston Holthaus die Unternehmensführung, wobei der Vorstand bereits einen Suchausschuss für einen neuen CEO eingerichtet hat.
Die
Bundesregierung
plant, bis zu zwei Milliarden Euro für die Förderung der Halbleiterindustrie in Deutschland bereitzustellen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein zweistufiges Antragsverfahren für Innovationsprojekte im Chipbereich eingeleitet, bei dem Unternehmen zunächst Projektvorschläge einreichen können. Dabei soll auch der Mittelstand stärker berücksichtigt werden.
Zwei Jahre nach der Einführung von ChatGPT stellt sich die Frage: Wie viele Deutsche nutzen generative KI wirklich? Zwei Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Von Nina Müller
Generative KI hat Einzug in deutsche Schulen, Universitäten und viele Arbeitsplätze gefunden. Zu messen, wie weit die Technologie bereits in unser Leben vorgedrungen ist, ist Grundlage vieler Studien: Eine Befragung des Thinktanks des Bayerischen Forschungsinstitutes für Digitale Transformation (bidt) zeigt, dass bislang nur jeder dritte Deutsche (35 Prozent) generative KI mindestens einmal genutzt hat, obwohl 73 Prozent der Befragten angeben, die Technologie zu kennen. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Nutzungsrate damit kaum verändert. Gleiches gilt für die berufliche Nutzung, die weiterhin bei 25 Prozent liegt. Das Institut schlussfolgert: Der Hype um generative KI in Deutschland flacht ab.
Foxconn ist mehr als nur der iPhone-Fertiger. Seit einigen Jahren baut Foxconn seine Kooperationen und Kapazitäten für den Automobilsektor weiter aus. Nun ist klar: Mit einer Rundumlösung will Foxconn die vom iPhone bekannte Arbeitsteilung in den Autosektor bringen.
Von Marcel Weiß
Foxconn, ursprünglich Hon Hai Precision Industry Co., Ltd., wurde zwar bereits 1974 gegründet. Berühmtheit erlangte das Unternehmen aber erst als Hauptproduzent von Apples populärstem Produkt – dem iPhone. 70 Prozent der heute international verkauften iPhones werden noch in den Fabriken von Foxconn hergestellt. Daneben produziert das Unternehmen Geräte für Microsoft, Dell, HP, Intel, IBM, Sony und viele weitere Unternehmen. Foxconn ist also schon jetzt weit mehr als „nur“ der iPhone-Fertiger.
Kärcher-Chef Hartmut Jenner geht beim KI-Einsatz voran: Nur wer selbst mit KI-Lösungen arbeite, könne deren Potential wirklich verstehen. Und warnt seine CEO-Kollegen: Wer die Euphoriewelle abwarte, verliere wertvolle Zeit und falle im Wettbewerb zurück.
Salesforce übertrifft die Erwartungen und verzeichnet für das vergangenen Quartal ein robustes Wachstum mit einem Umsatzanstieg von 8 Prozent auf 9,4 Milliarden Dollar. Das Unternehmen wolle im vierten Quartal außerdem 1400 zusätzliche Mitarbeiter einstellen, um die gestiegene Nachfrage nach Agentforce, den hauseigenen KI-Agenten, zu bewältigen.
Open AI
hat Medienberichten zufolge Werbeexperten von Techgiganten wie Meta und Google eingestellt. Das deutet darauf hin, dass das Unternehmen die Einführung von Werbung in seinen KI-Produkten erwägt, um neue Einnahmequellen zu erschließen. Der CFO Sarah Friar zufolge will das Unternehmen dabei „überlegt vorgehen“. Aktuell gebe es jedoch noch keine konkreten Pläne.
Nebius
, ein europäisches KI-Infrastrukturunternehmen und eine Abspaltung des russischen Technologieunternehmens Yandex N.V., hat eine Finanzierung von 700 Millionen Dollar von Investoren wie Nvidia, Accel und Orbis erhalten. Nebius erwartet, bis Ende 2025 einen jährlichen Umsatz von 750 Millionen bis einer Milliarde Dollar zu erreichen.
Eine Studie des
Tow Center for Digital Journalism zeigt, dass ChatGPT häufig ungenaue oder erfundene Quellenangaben für Inhalte von Verlagen liefert, unabhängig davon, ob diese Lizenzvereinbarungen mit Open AI haben oder nicht. Die Forscher fanden heraus, dass von 200 getesteten Zitaten 153 teilweise oder vollständig falsch zugeordnet wurden.
Kreativschaffende im Internet, von berühmten Influencern bis zu kleinen Medienmachern in der Nische, kommen in Summe bereits auf rund 250 Milliarden Dollar jährlichen Umsatz weltweit. Das entspricht zehn Prozent des globalen Medienmarktes. Dieser Sektor wächst außerdem schneller als die klassischen Medien. Es ist längst Zeit, die sogenannten „Creators“ ernst zu nehmen.
Von Marcel Weiß
Es begann in den 2010ern, als auf den Plattformen, allen voran Youtube, die ersten Kreativschaffenden erfolgreich wirtschaftlich nachhaltig ihre eigenen kleinen Medienunternehmen aufbauten. Nicht nur weil alle in der Zeit der Lockdowns daheim vor den Bildschirmen saßen, aber sicher auch aus diesem Grund war die „Creator Economy“ ein großes Thema in den Jahren von 2020 an. „Creator“ ist das englische Wort für Schöpfer, Erzeuger und auch Urheber. Es fasst alle professionellen Kreativschaffenden zusammen. Die meisten denken dabei sicher an Influencer, die nicht mehr ganz so neue Gruppe an Prominenten, die online zu Berühmtheit gekommen sind. Die Stars auf Youtube, auf Instagram, auf Tiktok, aber auch erfolgreiche Podcaster wie Joe Rogan. Der Begriff „Creator“ umfasst allerdings weit mehr
als die Onlineberühmtheiten.
Der berühmte Youtuber Mr. Beast war einer der ersten, dessen Videos in bis zu 16 Sprachen erscheinen. Screenshot Marcus Schwarze/Youtube/Mr. Beast
Amazons
Konzernchef Andy Jassy präsentierte auf der „re:Invent“-Konferenz der Cloud-Tochter Amazon Web Services die Bild- und Video-KI „Nova“. Auf Grundlage von Textbefehlen kann sie kurze Videoclips für Produktpräsentationen im Online-Shop von Amazon generieren. Außerdem stellte AWS neue KI-Server vor, in denen je 64 der selbst entwickelten Hochleistungsprozessoren „Trainium2“ stecken.
Eine
YouGov-Umfrage zeigt, dass 77 Prozent der Befragten in Deutschland ein Social-Media-Gesetz ähnlich dem in Australien unterstützen würden, welches Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren den Zugang zu sozialen Medien verwehren soll. Insgesamt sind 82 Prozent der Meinung, dass soziale Medien negative Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben.
Meta hat eingeräumt, dass das Unternehmen täglich etwa drei Millionen Fehler bei der Inhaltsmoderation macht. Das entspricht etwa 0,05 Prozent der sechs Milliarden Beiträge, die täglich auf Plattformen wie Facebook und Instagram gepostet werden. „Zu oft werden harmlose Inhalte entfernt oder eingeschränkt, und zu viele Menschen werden zu Unrecht bestraft“, sagt Nick Clegg, Metas Präsident für globale Angelegenheiten.
Nach langem Anlauf ist nun auch in Europa ein neues Sprachmodell der Künstlichen Intelligenz (KI) auf den Markt gebracht worden. Ein erster Test von „Teuken-7B“, der KI des Forschungsprojekts OpenGPT-X.
Von Marcus Schwarze
OpenGPT-X bezeichnet sein Modell zwar als europäisches Forschungsprojekt, dahinter stehen aber deutsche Institutionen. Die beiden Fraunhofer-Institute für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) und für Integrierte Schaltungen (IIS) sind federführend beteiligt, außerdem die TU Dresden, das Forschungszentrum Jülich, der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und Unternehmen wie Aleph Alpha und Ionos SE. Weitere Partner sind unter anderem das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechner und der KI-Bundesverband. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt seit 2022 mit rund 15 Millionen Euro, die Laufzeit endet im März 2025.
Vor zwei Jahren zeigte ChatGPT erstmals, wie generative Künstliche Intelligenz (KI) Texte produziert. Seitdem lernen Unternehmen, Behörden und Institutionen, wie sich die KI einsetzen lässt. Das betrifft auch besonders textintensive Branchen: Medienhäuser. Ein Einblick.
Von Marcus Schwarze
13 Lokalredaktionen, 180 Redakteure – die „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen zählt zu den großen Regionalzeitungen in Deutschland mit einer Auflage von mehr als 207.000 Exemplaren. Für Print und Onlineauftritte produzieren die Redaktionen täglich Hunderte von Texten. Dabei wird Künstliche Intelligenz (KI) zunehmend zu einem wichtigen Werkzeug.
Welchen Text wollen wir heute umschreiben? Die „Textengine“ von Retresco überarbeitet eine Polizeimeldung. Screenshot Marcus Schwarze/Retresco