Verfassungsrechtler diskutieren, welche Rolle der Zufall beim Wehrdienst spielen darf. Das Bundesverwaltungsgericht fällt ein weitreichendes Urteil zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Der Wehrdienst soll neu geregelt werden – so weit herrscht Einigkeit innerhalb der schwarz-roten Koalition. Doch was, wenn sich nicht genug junge Männer zum Dienst melden? Hier klaffen die Vorstellungen derzeit noch auseinander. Die einen (SPD) setzen auf Freiwilligkeit, die anderen (Union) befürworten verpflichtende Elemente.
Für Diskussionsstoff sorgte in dieser Woche ein Kompromissvorschlag, den Unterhändler der Koalition erarbeitet hatten: Künftig könnte das Los darüber entscheiden, wer zum Dienst einberufen wird. Nicht nur Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich skeptisch – auch unter Verfassungsjuristen ist umstritten, ob ein solches Modell mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.
Denn bei der Auswahl von Wehrpflichtigen gilt der Grundsatz der Wehrgerechtigkeit. Die Einberufung zum Dienst darf also nicht willkürlich erfolgen, sondern muss auf nachvollziehbaren, sachgerechten Kriterien beruhen. Kritiker des Losverfahrens sehen darin genau das Gegenteil: Wenn junge Männer nur deshalb nicht eingezogen werden, weil sie Glück im Lostopf hatten, sei das mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren.
Anders argumentiert der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio. In seinem Kurzgutachten für die Union kommt er zu dem Schluss, das Losverfahren sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Gleichheit werde gewahrt, weil die Chancen nach dem Zufallsprinzip für jeden Einzelnen gleich seien.
Gestern hat der Bundestag in erster Lesung über das neue Wehrdienstgesetz beraten. Neben dem Verteidigungsminister trat auch Siemtje Möller ans Rednerpult. Sie hatte den Kompromiss für die SPD federführend mitverhandelt. Unsere Berliner Korrespondenten Mona Jaeger und Matthias Wyssuwa haben die Debatte für Sie verfolgt.
Derweil hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Woche ein Urteil gefällt, das weitreichende Folgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben könnte. Künftig dürfen Gerichte Programme inhaltlich daraufhin prüfen, ob sie dem Gebot der Meinungsvielfalt gerecht werden. Hintergrund ist die Klage einer Frau aus Bayern, die ARD, ZDF und Deutschlandradio Einseitigkeit vorwirft und den Programmauftrag verletzt sieht. Die Einzelheiten des Urteils hat unsere Korrespondentin Marlene Grunert für Sie aufgeschrieben.
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Die Bundesregierung scheint mit ernsthaften Ansätzen den Mehltau der Überbürokratisierung angehen zu wollen. Einen ganzen Tag einer Kabinettsklausur dafür zu reservieren, war ein wichtiges Signal. Insgesamt will Bundesminister Karsten Wildberger (CDU) die Bürokratiekosten um 16 Milliarden Euro senken und dabei auch Tausende Stellen in Ministerien streichen. Doch der Minister hat in den ersten Wochen schon erlebt, wie viele in der Beamtenhierarchie lieber Sand ins Getriebe werfen, als zu den Reformern „überzulaufen“.
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Gerade noch hat Verteidigungsminister Pistorius seine Parteifreundin Möller vor den Fraktionskollegen vorgeführt wegen ihrer Vorschläge zu seinem Wehrdienstgesetz. Jetzt sprechen beide im Bundestag dazu – mit einer erstaunlichen Wendung.
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Als Siemtje Möller ans Rednerpult tritt, atmet sie erst einmal tief durch. Möller geriet in den vergangenen Tagen in den Fokus der Öffentlichkeit. Aber wohl nicht so, wie sie sich das gewünscht hätte. Möller hatte für ihre Fraktion, die SPD, federführend an einem Kompromiss mit der Union zum Wehrdienst gearbeitet. Sie hatte mit ihren Kollegen diesen Kompromiss sogar gefunden. Aber einer war damit nicht einverstanden: der Verteidigungsminister höchstpersönlich, ein Parteifreund von Möller.
Pistorius betont die Freiwilligkeit des Wehrdienstes, das Losverfahren bleibt jedoch als verpflichtende Option im Gesetzesentwurf erhalten. Omer Messinger
CDU und CSU stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Die Wahlrechtsreform der Ampel zeigt sich verfassungskonform, birgt jedoch Konflikte um Wahlkreisvertretung.
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CDU, CSU und SPD wollen das Bundestagswahlrecht ändern. So haben sie es im Koalitionsvertrag vereinbart. Eine ausschließlich mit Koalitionsvertretern besetzte Wahlrechtskommission soll alsbald ihre Arbeit aufnehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Urteil zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefällt, das neue Maßstäbe setzt: Gerichte können die gebotene Programmvielfalt fortan prüfen. Eine Frau aus Bayern hatte gegen den Rundfunkbeitrag geklagt.
Von Marlene Grunert
Künftig ist es Sache der Gerichte, die Meinungsvielfalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu überprüfen – sofern Kläger sie anzweifeln und dafür genügend Anhaltspunkte liefern. Das hat am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden und damit die eigenen Kontrollmechanismen der Rundfunkanstalten erheblich geschwächt. Zugleich haben die Richter strenge Maßstäbe für die Überprüfung der Programmvielfalt aufgestellt (BVerwG 6 C 5.24).
Ingo Kraft, Vorsitzender Richter des 6. Senats am Bundesverwaltungsgericht, bei der Begründung der Entscheidung zum Rundfunkbeitrag. dpa
Der frühere Immobilienunternehmer René Benko ist im ersten Strafprozess seit seiner Festnahme im Januar teilweise für schuldig befunden worden. Es dürften weitere Urteile folgen.
Von Michaela Seiser, Innsbruck
Der Gründer der insolventen Immobiliengruppe Signa, René Benko, ist am Mittwoch am Landesgericht Innsbruck wegen betrügerischen Bankrottes von einem Schöffensenat zu einer unbedingten zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden. Benko selbst hörte der Urteilsverkündung nach außen hin am Rand des großen Schwurgerichtssaals sitzend und gefasst zu. Sein Verteidiger Norbert Wess gab nach einer kurzen Unterredung mit seinem Mandanten an, vorerst keine Erklärung abgeben zu wollen. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.
René Benko am Mittwoch vor Beginn des zweiten Verhandlungstages am Landgericht Innsbruck dpa
In letzter Instanz muss Karlsruhe klären, ob die Aktionäre an der Verteilung der Insolvenzmasse zu beteiligen sind. Bisher gelten ihre Ansprüche als nachrangig, doch eine positive Entscheidung könnte die Wircard-Insolvenz komplett verändern.
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Mehr als fünf Jahre nach der Pleite des ehemaligen Dax-Konzerns Wirecard befasst sich der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag mit einer brisanten Frage. Der neunte Zivilsenat muss darüber entscheiden, ob Aktionäre eines Unternehmens in einem Insolvenzfall wie Gläubiger zu behandeln sind. Nur dann könnten ihre Schadenersatzforderungen an der Insolvenzmasse beteiligt werden.
Bisher gehen Aktionäre von Wirecard im Insolvenzverfahren leer aus. Nun muss der Bundesgerichtshof über ihre Ansprüche entscheiden. Reuters
Verlockende Geschäftschancen, glänzende Fassaden und optimistische Bewertungen können schnell zur Falle werden. Die Fälle Schneider und Benko zeigen, woran waghalsige Wachstumsmodelle scheitern und worauf der Mittelstand achten sollte.
Wer sich bewirbt, steht nicht nur vor der Aufgabe, Unterlagen zusammenzustellen und im Gespräch zu überzeugen. Der entscheidende Schritt liegt oft davor: Man muss die eigenen Stärken, Ziele und Erwartungen definieren. Eine gründliche Selbstanalyse bildet das Fundament jeder erfolgreichen Bewerbung.
IQB-Karrieremagazin Redaktionsteam
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Hier finden Sie auf einen Blick alle Events rund um die juristische Karriere – für alle, die in der Rechtsbranche beruflich ein- oder aufsteigen wollen.
Bessere Debatten, klare Regeln und mehr Planbarkeit für Familien – wie der Bundestag mit einer neuen Geschäftsordnung moderner werden will.
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Künftig sollen im Bundestag Debatten lebendiger gestaltet werden können und klare Regeln gelten für die Wahl und Abwahl von bestimmten Ämtern. Die 2. und 3. Lesung der neuen Geschäftsordnung, auf die sich Union und SPD geeinigt haben, stand für den späten Donnerstagabend auf der Tagesordnung des Bundestags. In Kraft treten sollen die neuen Regeln zum 1. November.
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Die Tat eines Kranken. Enamullah O. hat am 22. Januar in einem Park zwei Menschen erstochen, darunter ein Kleinkind. Vor Gericht wirkt der Täter gleichgültig. Das sei Zeichen seiner Krankheit, sagt die Verteidigung.
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Ausblick
Dienstag, 21. Oktober 2025
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Mittwoch, 22. Oktober 2025
Den Haag: Der Internationale Gerichtshof (IGH) legt sein Gutachten zu Israels Pflichten zum Schutz von UN-Agenturen in Gaza vor.
Wiesbaden: Urteilsverkündung des Hessischen Staatsgerichtshof zur Klage der AfD gegen den Corona-Untersuchungsausschuss.
Donnerstag, 23. Oktober 2025
Luxemburg: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilt über Preisminderung und Schadensersatz bei Pauschalreisen.