Das Landgericht München I fällt ein wegweisendes Urteil zum KI-Training mit Liedertexten. Und: Wer ist der Mann an der Spitze des Supreme Courts?
„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, sang Reinhard Mey 1974 und prägte damit ein Gefühl von Weite und Ungebundenheit. Doch wie begrenzt diese Freiheit im digitalen Zeitalter sein kann, zeigte diese Woche ein Urteil des Landgerichts München I: Open AI habe beim Trainieren seines KI-Systems ChatGPT die Urheberrechte an den Texten von neun bekannten Liedern verletzt – darunter auch Meys berühmter Klassiker.
Das Urteil in dem Lizenzstreit gilt als richtungsweisend und stärkt die Rechte von Kreativen. KI-Unternehmen werden künftig genauer prüfen müssen, wie sie mit geschützten Inhalten umgehen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, Open AI hat bereits angekündigt, dagegen vorzugehen.
Künstliche Intelligenz ist mittlerweile auch im Jurastudium ein gefragter Helfer – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA. Das verriet kürzlich Reality-TV-Star Kim Kardashian in einem Videointerview für die Vanity Fair. Die Fünfundvierzigjährige hatte vor sechs Jahren angefangen, Jura zu studieren, und ist nun durch das kalifornische Anwaltsexamen gefallen. Die Schuldfrage war schnell geklärt: ChatGPT muss es gewesen sein.
Wenn sie die Antwort auf eine Frage wissen wolle, habe sie diese an den Chatbot weitergegeben, so Kardashian. Die Antworten seien jedoch „immer falsch“. Ihr Fall zeigt, dass Künstliche Intelligenz das eigene Denken (noch) nicht ersetzen kann – und dass man für schlechte Noten manchmal eben einen digitalen Sündenbock braucht.
In unserem exklusiven Gastbeitrag richtet sich der Blick diese Woche ebenfalls in die USA – direkt zum Supreme Court. Unsere Gastautoren nehmen den Mann unter die Lupe, der an der Spitze des Obersten Gerichtshofs steht: Chief Justice John Roberts. Ihre These ist provokant: Mit seinem Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichtshofs steuere Roberts das Land geradewegs in Richtung Autokratie. Wie sie zu diesem brisanten Schluss kommen, erfahren Sie im Briefing.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Künstlicher Intelligenz gemacht? Nutzen Sie Programme wie ChatGPT im Alltag, oder bereitet Ihnen die Technik eher Sorge? Schreiben Sie uns Ihre Meinung an
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Unter der Führung von John Roberts verändert der Supreme Court die Grundpfeiler der amerikanischen Demokratie. Stehen die Vereinigten Staaten vor einem historischen Wendepunkt?
Von James R. Maxeiner und Stephan-Götz Richter
Die gegenwärtige politische Entwicklung in den USA macht die Befürchtung immer realistischer, dass das Land zielstrebig in eine Autokratie umgelenkt wird. Das ist ein Vorgang, der uns Deutsche in besonderem Maß berührt. Erstens wegen unserer eigenen nationalen Geschichte in den frühen Dreißigerjahren. Zweitens, weil es sich um den wohl wichtigsten Verbündeten unseres Landes handelt. Drittens, weil die Vereinigten Staaten auf internationaler Bühne lange als traditionell stärkster Verfechter von Demokratie und Freiheit galten.
John Roberts wurde 2005 zum Chief Justice ernannt. AFP/Jim Watson
Der Konzern durfte Songtexte nicht ohne Lizenz fürs KI-Training nutzen, urteilt das Landgericht München. Doch was folgt aus dem Urteil – und wie ist eigentlich die Lage in den USA?
Von Benjamin Fischer und Marcus Jung
In dem mit Spannung erwarteten Urteil im Urheberrechtsstreit und in Fragen zum Training von Künstlicher Intelligenz (KI) hat das Landgericht München I der klagenden Verwertungsgesellschaft GEMA überwiegend recht gegeben. Nach Auffassung der 42. Zivilkammer hat Open AI beim Betrieb seines KI-Chatbots ChatGPT die Urheberrechte von Liedtextern verletzt. Deswegen kann die GEMA von Open AI Unterlassung, Auskunft zum verwendeten Umfang von Liedtexten sowie Schadenersatz verlangen.
Der durch Helene Fischer bekannte Song „Atemlos“ stand auch auf der Liste der Liedtexte, mit denen Chat GPT trainiert hat. Geschrieben hat ihn Kristina Bach. dpa
Der Fußballspieler durfte wegen eines antisemitischen Posts nicht gekündigt werden. Vor Gericht hat er eine Millionensumme erstritten. Unterstützt wurde er auch vom New Yorker Bürgermeister.
Von Timo Steppat, Mainz
Der Fußballspieler Anwar El Ghazi ist an diesem Morgen nicht bei Gericht erschienen. Zwei Jahre ist es her, dass sein damaliger Verein FSV Mainz 05 eine fristlose Kündigung aussprach, seitdem läuft ein Rechtsstreit. War die Kündigung rechtmäßig – und muss El Ghazi entschädigt werden? Wenige Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 postete El Ghazi auf Englisch die Parole: „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein.“ Die Strafbarkeit wird von deutschen Gerichten unterschiedlich bewertet. Mainz 05 vertrat den Standpunkt, dass El Ghazi mit seiner Äußerung das Existenzrecht Israels infrage gestellt habe.
Anwar El Ghazi im Oktober 2023 im Trikot des FSV Mainz 05 (vorne rechts) Picture Alliance
„Bedarfswehrpflicht“, flächendeckende Musterung, Zielmarken zum Aufwuchs der Streitkräfte: Union und SPD haben sich auf einen neuen Wehrdienst verständigt – ein Punkt bleibt offen.
Von Peter Carstens, Berlin
Union und SPD haben sich nach monatelangem Streit auf einen Kompromiss zum Wehrdienst geeinigt. Dessen Ziel soll es sein, in Anbetracht der Bedrohungslage die „Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands deutlich zu steigern“. So heißt es in einem gemeinsamen Papier, das am Donnerstag vorgelegt wurde. Die Bundesregierung und die Führung der Bundeswehr gehen davon aus, dass ein imperiales Russland unter Wladimir Putin willens ist, gewaltsam weitere Gebietsausdehnungen zu erreichen.
Rekruten bei der Schießausbildung in Ahlen am Donnerstag dpa
Geht es nach einer Mehrheit der Abgeordneten, wird die Bürokratie weiter abgebaut als es die EU-Kommission möchte. Aus der Wirtschaft kommt Lob für die Entscheidung.
Von Werner Mussler, Brüssel
In der Diskussion um eine Entlastung der Unternehmen von Berichtspflichten hat sich das Europäische Parlament am Donnerstag im zweiten Anlauf für eine besonders wirtschaftsfreundliche Linie ausgesprochen. Diese kam zustande, weil die „europafreundlichen“ Fraktionen der EVP (ihr gehören auch die CDU/CSU-Abgeordneten an), der Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen sich vorab nicht auf eine Kompromisslinie hatten einigen können.
Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber auf dem Weg zur Abstimmung im Europaparlament EPA
Die Einführung einer Haftung für Bundesminister wird diskutiert. Besser wäre eine neue Fehlerkultur in der Politik.
Von Katrin Stein und Wolfgang Hecker
Die Frage einer Ministerhaftung für ein schuldhaftes Verhalten bei der Amtsführung wird seit dem Maut-Debakel unter dem früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verstärkt diskutiert. Dazu gekommen sind neuerdings die Fälle der Northvolt-Pleite und des Coronamaskenbezugs, in denen es um die Verantwortlichkeit des ehemaligen Bundesminister Robert Habeck (Grüne) und Jens Spahn (CDU) geht.
Eine Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt. dpa
In Magdeburg: Der Angeklagte Taleb Al A. wird nach der Mittagspause von Justizpersonal in den Saal des temporären Gerichtsgebäudes des Landgerichts geführt. dpa
Unser Kollege Jonas Wagner berichtet vom Prozessauftakt zum Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Außerdem beschäftigen uns die Ergebnisse der Justizministerkonferenz.
Ohne Künstliche Intelligenz geht auch an Hochschulen nichts mehr. Wer bei ihrem Einsatz allerdings nicht aufpasst, kann Ärger bekommen. Und mancher zweifelt, ob sich ein Studium in Zeiten von ChatGPT und Deepseek noch lohnt.
Von Sascha Zoske
An den Universitäten ist die Zeitenwende schon in vollem Gang. „Wir sehen gerade einen Generationswechsel bei den Studierenden“, sagt Christoph Burchard. Was der Juraprofessor meint: Die jungen Menschen, die jetzt ein Studium beginnen, haben sich bereits in der Schule im Umgang mit Künstlicher Intelligenz geübt. Mithilfe von ChatGPT, DeepL oder anderen Tools zu recherchieren, Texte zusammenzufassen, zu übersetzen, Konzepte für Referate – oder gleich das ganze Referat – anzufertigen, ist für sie selbstverständlich.
Im Zweifel den Professor fragen: Allzu sorglos sollten Studenten ChatGPT und andere KI-Anwendungen nicht benutzen. dpa
Die Grenze zwischen glaubwürdigem Umweltschutz und strafbarem Greenwashing wird immer schärfer gezogen – wer hier zu weit geht, riskiert mehr als nur Imageverlust.
Wer Prioritäten setzt, kann das Studium gezielt und stressfrei gestalten. So bleibt nicht nur mehr Zeit zum Lernen, sondern auch für Pausen und Hobbys.
IQB-Karrieremagazin
VERANSTALTUNGSKALENDER
Karriereevents für Juristen
Hier finden Sie auf einen Blick alle Events rund um die juristische Karriere – für alle, die in der Rechtsbranche beruflich ein- oder aufsteigen wollen.
Über 100 Straftaten soll der Oppositionspolitiker Ekrem İmamoğlu begangen haben. Auch Verdächtige in seinem Umfeld werden in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft genannt.
Von Friederike Böge, Istanbul
Wenn es nach dem Istanbuler Generalstaatsanwalt geht, sollte die größte Oppositionspartei der Türkei verboten werden und ihr Präsidentschaftskandidat Ekrem İmamoğlu den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Der Staatsanwalt Akın Gürlek fordert sage und schreibe zwischen 828 und 2352 Jahren Haft für den abgesetzten Istanbuler Bürgermeister. Das verkündete Gürlek am Dienstag bei einer Pressekonferenz anlässlich der Übergabe seiner Anklageschrift an das zuständige Gericht.
Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu spricht Anfang des Jahres zu seinen Anhängern vor dem Istanbuler Gerichtsgebäude. dpa
Wirecard-Aktionäre haben keinen Anspruch auf Auszahlung. Der Bundesgerichtshof hat die Klage von Wirecard-Aktionären am Donnerstag abgewiesen. Die Vermögensverwaltung Union Investment hatte rund 10 Millionen Euro Schadenersatz angemeldet.
Wankt jetzt der neue Mindestlohn? Bei der Festsetzung des Mindestlohns hatte man auf die EU-Richtlinie zu angemessenen Mindestlöhnen gebaut. Doch Teile davon sind nichtig, so der EuGH.
Warum der Streit um die Grundsteuer weitergeht
: Der Bundesfinanzhof verhandelt über die reformierte Grundsteuer. Das sogenannte Bundesmodell verletzte das Gleichbehandlungsgebot, rügen Kläger in drei ausgewählten Verfahren.
Ausblick
Montag, 17. November 2025
Braunschweig: Vor dem Landgericht beginnt im Dieselskandal ein weiteres Verfahren gegen fünf Angeklagte, denen gewerbsmäßiger Betrug und andere Straftaten vorgeworfen werden.
München: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verhandelt über das Cannabis-Verbot im Englischen Garten.
Dienstag, 18. November 2025
Leipzig: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Autobahn-A-1-Lückenschluss Kelberg–Blankenheim.
Stuttgart: Prozessauftakt in einem Verfahren vor dem Landgericht wegen eines quadratischen Haferriegels. Geklagt hatte Ritter Sport.
Mittwoch, 19. November 2025
Koblenz: Prozessauftakt in einem Verfahren vor dem Landgericht wegen Mordes, versuchten Mordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Syrien.
Luxemburg: Mehrere Urteile des Gerichts der Europäischen Union (EuG) zur Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat, zum Zugang zu Dokumenten zur Zulassung des Impfstoffs Comirnaty, zur Benennung des Amazon Store. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet über den Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff Boscalid.
Donnerstag, 20. November
Berlin: Prozessbeginn geplant nach Messerangriff am Holocaust-Mahnmal.
Luxemburg: Der EuGH urteilt über die Speicherung biometrischer und genetischer Daten im Rahmen der Strafverfolgung.