Berlin-Schöneberg (Gottfried Benn), Frankfurt-Holzhausenviertel (Robert Gernhardt), Pisa (Rudolf Borchardt) und Ely (Wendy Cope) – das sind einige unserer lyrischen Lieblingsorte. Sie haben sicher noch weitere oder ganz andere. Wenn Sie morgen früh das Feuilleton aufschlagen, sollten Sie eine Lupe bereithalten: Dort finden Sie eine Weltkarte der Poesie, die im Original 1,20 Meter breit und 80 Zentimeter hoch ist. Der Illustrator und Comic-Künstler Brecht Evens hat sie mit allen fantastischen Mitteln der mittelalterlichen Kartografie gestaltet. Zurzeit hängt sie in Cherbourg, in der Ausstellung von Evens bei der „Biennale der neunten Kunst“. Unser Literaturchef Andreas Platthaus hat die Ausstellung besucht und sowohl den belgischen Künstler als auch dessen Pariser Drucker getroffen.
Welche Karten hatten eigentlich die Hunnen, als sie in Europa einfielen? Der Tübinger Althistoriker Mischa Meier hat ein Buch über das sagenumwobene Reitervolk geschrieben und die Legenden mit den historischen Quellen verglichen. Ein griechischer Händler soll dem Diplomaten und Reiseschriftsteller Priskos vor Attilas Palast von der Wirtschaftspolitik des Hunnenkönigs geschwärmt haben: Die Hunnen machten zwar Beute, aber sie erhoben keine Steuern! Kurz nach Attilas Tod zerfiel das Start-up-Reich jedoch wieder.
Der israelische Historiker José Brunner ist auch ausgebildeter Psychologe. In seinem Buch „Brutale Nachbarn“ über die Emotionen im Nahost-Konflikt versucht er, den Traumata von Israelis und Palästinensern gerecht zu werden. Er gibt auch politische Empfehlungen. „Für die Suche nach einem Weg aus dieser gewalttätigen Phase des Nahostkonflikts ist es nicht hilfreich, Israel als genozidalen Staat zu bezeichnen und die Hamas als Nachfolger der Nazis. Weder mit Nazis noch mit genozidalen Regierungen schließt man Frieden.“
Hito Steyerl, die Pionierin der investigativen und diskurskritischen Videokunst, die sich während der Krise um die documenta 15 auch kritisch zu Routinen des Pseudodenkens im Kunstbetrieb äußerte, erhält im Wiener MAK ihre erste Museumsausstellung in Österreich. Diesmal stehen die Lage der Kurden und die Verschmelzung von Waffen- und Überwachungstechnologie im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Die Beispiele, die sie zusammenträgt, veranlassen sie auch zu einer Warnung vor blindem Vertrauen in Künstliche Intelligenz.
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Ihr Reich währte nur kurz, aber ihr Name weckt noch heute Furcht und Schrecken: Mischa Meier erzählt die Geschichte der hunnischen Reiterkrieger und ihrer Herrschaft in Mitteleuropa.
Gefangen in einer Geschichte der Gewalt: José Brunner, der sich als Teil des jüdischen Neuanfangs nach dem Holocaust versteht, nimmt psychologische Verfassungen im Nahostkonflikt in den Blick.
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