Kritik
                                                           
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Mittwoch, 02.07.2025 | Zur Online Ansicht
 
 Frankfurter Allgemeine
KRITIK
Liebe Freundinnen und Freunde der Kritik,
kennen Sie das auch? Man hat den Umzug hinter sich gebracht, hat alles ausgepackt, und dann kommen alle möglichen Dinge ans Licht, die man gar nicht hatte mitnehmen wollen. Darunter auch „verschwundene Brettspielfiguren, scheußliches Gratisspielzeug in Plastikpackungen, die ungeöffneten Schreiben, die auf der Anrichte lagen“. Das ist ein kleiner Teil des gespenstischen Inventars, das Siân Hughes in ihrem Roman „Perlen“ ausbreitet. Eine Familie vertauscht ihr altes Haus gegen ein neues Haus und schleppt nicht nur die Dinge mit, sondern auch Geheimnisse und Traumata.

Eine Familienkonstellation in einem unheimlichen Haus untersucht auch Tarjej Vesaas, der Kennern als der zweitwichtigste norwegische Schriftsteller in der Epoche Knut Hamsuns gilt, in seiner Erzählung „Frühlingsnacht“. Um Vesaas macht sich der rührige Berliner Guggolz-Verlag verdient. Vesaas schrieb auf Nynorsk, in der zweiten Amtssprache Norwegens; diese Sprache hat ihre Grundlage in den Dialekten Westnorwegens.

Wie romantische Liebe und Mutterliebe einander überlagern und gefährden können, erzählt der Kinofilm „Hot Milk“ von Rebecca Lenkiewicz anhand einer Feriengeschichte.

Wenn der Faschismus wiederkommt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus, sondern: Ich bin die Genderwahnvertreibung oder die Rückkehr zum Benziner. Man kennt den beliebig zu vervollständigenden Spruch aus den sozialen Medien. Dass der Faschismus sagen wird: Ich bin der Faschismus – das malt sich jetzt der italienische Schriftsteller Antonio Scurati im fünften und letzten Band seiner Romanserie über den Aufstieg und Fall von Benito Mussolini aus. Er unterlässt es, sich in den sterbenden Diktator hineinzuversetzen in dem Moment, als er von den Partisanen aufgehängt wird, sondern lässt seinen Leichnam sprechen, mit gruseligem Effekt und politischer Absicht. Als der erste Band 2018 erschien, konnte man die Präsidentschaft Donald Trumps noch für eine Episode halten und nicht im Traum an eine Premierministerin Giorgia Meloni denken. Scuratis Werk hat das Verhältnis der Italiener zum Faschismus verändert. Auch der fünfte Band wird in deutscher Übersetzung bei Klett-Cotta erscheinen.

Schon im sechzehnten Jahrgang fanden in Gohrisch die Internationalen Schostakowitsch-Tage statt. Dmitri Schostakowitsch komponierte 1960 in dem Kurort in der Sächsischen Schweiz sein achtes Streichquartett. Aus dem Nachlass des unfasslich produktiven Komponisten konnte auch in diesem Jahr eine Uraufführung gehoben werden, ein Lied nach dem Gedicht „Der Nagel von Jelabuga“ von Jewgeni Jewtuschenko.

Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum besitzt viele schöne Impressionisten, erst recht mit der Dauerleihgabe des Schweizer Sammlers Gérard Corboud, der in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag hätte feiern können und den Baubeginn des Anbaus für seine Kollektion leider nicht mehr erlebte. Jetzt sind in Köln Impressionisten aus dem Museum Langmatt in Baden bei Zürich zu Gast, die nach Wien weiterziehen werden.

In Antonio Scuratis Roman steht der Satz: Mussolini „kann sich eine Welt außerhalb seines eigenen grenzenlosen ‚Ich‘ nicht vorstellen“. Auf den großen Trump-Roman warten wir weiter.

Viel Vergnügen wünscht

Ihre Feuilleton-Redaktion



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