Seit 2017 hatte man auf die Unzuverlässigkeit der Wettbüros wetten können, wenn es um den Literaturnobelpreis geht. Damals war die Quelle der Indiskretionen aus der Schwedischen Akademie versiegt; zuvor hatte man für einigermaßen sichere Voraussagen tatsächlich nur die Quotenentwicklung kurz vor Bekanntgabe beobachten müssen. Heute gibt es entweder wieder ein Leck, oder die Wetter haben Literaturgeschmack: László Krasznahorkai, der neue Preisträger aus Ungarn, war nach dem Australier Gerald Murnane der zweithöchste Eingeschätzte bei den Wettbüros.
Andreas Platthaus
Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Literatur" und „Literarisches Leben“.
Gehandelt für die höchste Auszeichnung des literarischen Lebens wurde er indes seit Jahren. Kein Wunder: Der 1954 in Gyula geborene Schriftsteller hat seit den Achtzigerjahren, also noch zu Zeiten der ideologischen Teilung Europas, Aufmerksamkeit auch außerhalb seines Landes erweckt. Zunächst, ostblocktypisch, mit dystopischen Stoffen, dann, nach dem Einschnitt von 1989, mit immer noch allegorischen, aber viel mehr dem Privaten zugewandten, lebensbejahenden Büchern. Spätestens seit er 2016 den internationalen Booker-Preis erhielt, zählte er in der englischsprachigen Welt zu den ganz Großen.
In Deutschland wurde László Krasznahorkai schon früher entdeckt: Ein erster Band erschien 1988, und dann kam er auch schon mit dem Roman „Satanstango“ (der bis heute einer seiner bekanntesten geblieben ist und auch verfilmt wurde: von Krasznahorkais sehr wählerischem Landsmann Bela Tarr) 1990 zu Rowohlt. Dort erkannte man aber nicht, was man hatte, und so war es einem der größten literarischen Entdecker, dem Verleger Egon Ammann, überlassen, Krasznahorkais Werk endgültig im deutschen Sprachraum zu etablieren. Schon bevor er 2009 seine verlegerischen Aktivitäten beendete, hatte sich S. Fischer im Zuge der Abwicklung des Verlagsprogramms die Rechte an Krasznahorkais Büchern gesichert – erst kamen zwei Bände mit Erzählungen (zuvor ein Desiderat angesichts der Präzision seines Erzählens)
und dann zwei Romane, bevor zuletzt 2023 wieder Erzählungen kamen: „Im Wahn der Anderen“.
László Krasznahorkai, nach Imre Kertész vor 23 Jahren erst der zweite ungarische Literaturnobelpreisträger, ist der jüngste der drei Autoren seines Landes, die seitdem immer wieder für diese Ehrung genannt wurden: Péter Esterházy und Péter Nádas sind die beiden anderen. Esterhazy starb 2016, und Nádas hat Krasznahorkai voraus, dass er bei gleich hohem Anspruch zugänglicher schreibt – nicht nur was die Umfänge seiner Romane angeht. Und Krasznahorkais Romane sind nicht unmittelbar autobiographisch zu lesen – die autofiktionale Tendenz ist mit Annie Ernaux erst 2022 von der Nobelpreisjury ausgezeichnet worden.
Zu erwarten war zweierlei nach der letztjährigen Gewinnerin Han Kang: ein Mann und ein Autor, der dem westlichen Kulturkreis zuzurechnen ist. So berechenbar bleibt diese Jury. Dass sie nach Swetlana Alexijewitsch (2016) und Olga Tokarczuk (2019) wieder ins zeitgeschichtsbedingt literarisch ebenso fruchtbare wie wagemutige Mitteleuropa geschaut hat, ist wunderbar. Wer überhaupt neugierig auf grandiose Literatur ist, wird doch fündig. Fast schade, dass nun wieder einmal ein paar Jahre Pause für die dortigen Autoren sein wird.
Seinem Werk ist die Melancholie genauso eingeschrieben wie das Staunen über den Zustand der Welt: Der ungarische Autor László Krasznahorkai wird mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Als er erfährt, dass ihm der Literaturnobelpreis zuerkannt worden ist, befindet sich der Schriftsteller László Krasznahorkai gerade in Frankfurt. Kommt er auch auf die Buchmesse?
„Was lesen, hören, sehen Sie? Was nervt Sie?“ Ende Januar 2022 hat László Krasznahorkai die allwöchentlich einer Persönlichkeit aus dem Kulturbetrieb gestellten vier Fragen der Sonntagszeitung beantwortet.
Wer der Welt den Rücken kehrt, braucht starke Nerven oder einen unbeirrbaren Blick auf das eigene Wesen: Der ungarische Autor László Krasznahorkai feiert seinen siebzigsten Geburtstag mit einem grandiosen Erzählungsband.
Gerade in ihrer Tragik sind László Krasznahorkais in „Die Welt voran“ versammelte Geschichten schwebend leicht und von Heiterkeit erfüllt, besonders dann, wenn der Erzähler leidenschaftlich und empört von seiner Traurigkeit erzählt.
Melancholischer Widerstand:Der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkais erforscht in seinen neuen, ebenso meditativen wie tröstlichen Erzählungen das Wesen der vollkommenen Schönheit, deren Preis stets Erschöpfung und Besessenheit ist.
HIer werden hoher (Prediger-)Ton und niedere Minne, biblische Metaphorik und drastischer Naturalismus, Endzeitvision und schwärzester Humor virtuos gekreuzt: „Satanstango“" ist nicht nur ein beißender Kommentar zu den letzten Tagen des Sozialismus in Ungarn, sondern eine Parabel über die Condition humaine.
Wie ihre Eingangsmetapher, läuft die ganze Erzählung: immer auf Messers Schneide zwischen dem absolut Phantastischen und dem absolut Realen. Zwischen Zeit und Zeitlosigkeit, zögernder Gewißheit und plötzlicher Bodenlosigkeit.
Bei allem Aufgebot an Düsternis kennt László Krasznahorkais Roman „Krieg und Krieg“ das Wort Verzweiflung nicht. Es gibt kein Seelenleben in diesem Roman und folglich weder Seelenfrieden noch Seelenunfrieden.
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