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Warnende Kurve
Wenn Sie diesen Newsletter lesen, stoßen Sie nach dem Inhaltsverzeichnis auf eine Weltkarte – und darunter die Preisindizes für den weltweiten Frachthandel. Sie müssen keinen Container von Seattle nach Rotterdam schicken oder Aktien von Hapag-Lloyd besitzen, bevor es sich lohnt, auf diese Kurve zu schauen. Denn sie ist ein Warnsignal, das immer schneller blinkt.
Dies spiegelt sich auch im immer weiter steigenden Goldpreis. Jüngst nahm er die magische Marke von 4000 Dollar je Feinunze. Analysten sehen, trotz jüngerer Kurskorrekturen, noch Luft nach oben. Denn die Furcht vor Krieg, Handelsschranken, Schulden und Zinsängste treiben Anleger und Notenbanken weiter ins glänzende Metall.
Ebendiese Gründe lasten ebenfalls auf dem Frachtmarkt. Wir erinnern uns: Während Corona waren keine Boxen zu bekommen. China fertigte nicht genug der Stahlkisten, die Schifffahrtslinien waren überbucht, die Häfen konnten die Frachter nicht löschen. Der Containerverkehr brach fast zusammen. Also investierte die Branche in nie gekanntem Ausmaß: Neue Schiffe wurden auf Kiel gelegt, Kapazitäten erweitert, und Weltmarktführer Maersk rüstet seine Flotte für Milliarden Dollar nach – denn wie im Flugverkehr müssen auch die Reeder immer höheren Umweltansprüchen folgen.
Im Frühjahr erfuhr der Verkehr einen Aufschwung, weil sich Unternehmen angesichts des Zollchaos rechtzeitig mit Waren und Bauteilen eindeckten. Mit diesem Auffüllen der Lager aber ist es nun vorbei. Weltweit kühle sich die Konjunktur ab, warnt der Internationale Währungsfonds. Die Verbraucher sorgen sich, sie kaufen weniger. Also wird auch weniger auf See und in der Luft verfrachtet.
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Für die Reeder wird das schwierig. Preise von derzeit 1500 Dollar für den Container – im Vergleich zu mehr als 10.000 Dollar während Corona – decken ihre Kosten kaum noch. Ähnliches ist bei den Erzpreisen auszumachen, auf die China nun auch drückt, denn wenn die Konjunktur lahmt, schmilzt auch die Nachfrage nach chinesischem Stahl.
Noch können die Reeder ihre überquellenden Kassen plündern. Aber die Einnahmen fallen rasch. Während die Rechnungen, die die Werften schreiben, steigen. In wenigen Monaten könnte die Flotte, die den Welthandel abwickelt, in einen schweren Sturm driften.
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Die Eurasische Wirtschaftsunion belegt Produkte aus Aluminiumfolie aus China mit zusätzlichen Importzöllen zwischen 17,16 und 20,24 Prozent. Die von Russland initiierte Union wirft China Dumpingpreise vor. Weitere aktuelle Handelsliberalisierungen und -beschränkungen zeigt unsere interaktive Karte.
Am 7. Juli 2025 versenkten Huthi den griechischen Frachter Eternity C im Roten Meer, wie dieses Huthi-Video zeigt. Damit soll vorerst Schluss sein. EPA
China hat die USA wieder als wichtigsten deutschen Handelspartner abgelöst. Grund sind eine Importflut aus der Volksrepublik und sinkende US-Exporte seit Jahresbeginn. China war bereits von 2016 bis 2023 Deutschlands Handelspartner Nummer eins. Allerdings: Deutsche Exporte nach China sind um knapp 13 Prozent eingebrochen.
Das Handelsdefizit der USA ist im August deutlich geschrumpft. Grund dürften die hohen Zölle seit Trumps Amtsantritt sein, wodurch die Importe weiter sanken. Die Einfuhren im August übertrafen die Exporte nur noch um 59,6 Milliarden Dollar, das sind 23,8 Prozent weniger als noch im Juli.
Die Europäische Zentralbank (EZB) rät den Geschäftsbanken der Währungsunion dazu, sich auf beispiellose Schocks mit weitreichenden Folgen für das Finanzsystem vorzubereiten. „Geopolitische Spannungen, eine veränderte Handelspolitik, Klima- und Naturkrisen, der demografische Wandel und technologische Umbrüche verschärfen strukturelle Schwachstellen,“ so die EZB.
China hat abermals ein Importverbot für japanischen Fisch und für Filme verhängt. Auslöser ist eine Rede der neuen Premierministerin Sanae Takaichi in Tokio, in der sie dem Parlament sagte, bei einem chinesischen Angriff auf Taiwan könne Japan Taipeh militärisch unterstützen.
Vor 30 Jahren: Nick Leeson und eine globale Bankenkrise
Als Anfang 1995 im japanischen Kobe die Erde bebt, ahnt noch niemand, dass die Schockwellen bis nach London reichen werden. Aber zunächst erreichen sie nur das 5000 Kilometer entfernte Singapur. Dort sieht Nick Leeson, General Manager der Niederlassung der Barings Bank, in dem Beben seine Chance, mit einem Mal seine eigenen Spekulationsverluste auszugleichen, die er seit drei Jahren angehäuft hat. Er setzt einen Millionenbetrag darauf, dass der japanische Nikkei-Index nur kurz vom Erdbeben erschüttert ist und schnell wieder auf 19.000 Punkte steigt.
Doch der Nikkei-Index fällt. Und mit ihm am Ende auch die Barings Bank, 1762 in London gegründet, eine Institution am Finanzplatz, die schon 1802 den Louisiana Purchase finanziert hatte. Leeson beschert seiner Bank 827 Millionen Pfund Verlust, umgerechnet 1,4 Milliarden Dollar – doppelt so viel wie das Eigenkapital der Bank. Im März 1995 wird er auf seiner Flucht in Frankfurt verhaftet und am 23. November 1995 nach Singapur ausgeliefert, damit er dort zu 6,5 Jahren Gefängnis verurteilt werden kann, wegen Urkundenfälschung, Untreue und Betrugs.
Ein Banker wird zur Rechenschaft gezogen: Händler und Spekulant Nick Leeson (Mitte), begleitet von Polizisten, bei seiner Ankunft am 24. November 1995 in SingapurAP
Dass eine Londoner Bank durch einen Derivatehändler in Singapur pleitegehen kann, zeigt nicht nur, wie eng verflochten die globalen Finanzmärkte sind. Schnell wird auch deutlich, dass das bisherige Vertrauen in Eigenverantwortung nicht länger funktioniert, sondern mehr Kontrolle nötig ist. Leeson etwa war sowohl Händler als auch Kontrolleur.
Die Krise führt zu ersten tiefgreifenden Reformen der Finanzaufsicht, vor allem in Großbritannien. Banken müssen seitdem beispielsweise Handel und Abwicklung stärker voneinander trennen. Zudem erarbeitet der bedeutende Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht neue Regeln, wie hoch das Eigenkapital internationaler Banken künftig mindestens sein muss (Basel II).