Alles Wichtige zu Globalisierung, Sicherheit und Ressourcen.
Brüssel beendet die Ära des russischen Gases
2027, fünf Jahre nach Moskaus Überfall auf die Ukraine, soll Europa kein Gas mehr aus Russland beziehen. So sieht es eine Einigung der EU-Regierungen und des EU-Parlaments vor. Dies klingt ambitioniert, darf aber nicht vergessen lassen, dass die Europäer energiepolitisch bisher eher die Getriebenen als die Antreiber waren.
Es ist ein Zufall, dass ausgerechnet an jenem Tag, an dem die EU-Institutionen sich auf den Gas-Exit geeinigt haben, eine Studie vorgestellt wird, wie deutsche Unternehmen geopolitische Risiken wahrnehmen – und was sie daraus ableiten. Die Ergebnisse der KPMG-Studie, die in diesem Briefing exklusiv zu finden sind, zeigen einen nicht überraschenden, aber doch bemerkenswerten Widerspruch auf: Nur weil allen ein Risiko bekannt und bewusst ist, heißt das noch lange nicht, dass auch gehandelt wird. Das gilt offenbar für deutsche Unternehmen genauso wie für die EU und deren Mitgliedstaaten.
Es waren ja mitnichten Berlin oder Brüssel, die wegen der Menge an russischen Gasimporten den großen Knall fürchteten und daher Moskau den Hahn abgedreht hätten. Dass mit Russlands Überfall immer weniger Gas von Ost nach West fließt, ist vor allem das Verdienst Putins.
Schon 2021, also Monate vor der Grenzüberschreitung, hatte Russland seine Lieferungen deutlich reduziert, um politischen und ökonomischen Druck ausüben zu können. Im März 2022 verlangte Moskau dann, dass die Rechnungen in Rubel zu zahlen sind – was viele Abnehmerländer in der EU trotz anderslautender Verträge zunächst akzeptiert haben.
Der nächste Schritt: Russland kündigte an, den deutschen Versorger Gazprom Germania zu verstaatlichen. Dann hat Moskau kontinuierlich die Gasmenge durch Nord-Stream-Pipelines gedrosselt, wegen angeblicher Reparaturarbeiten. Als Unbekannte die Pipelines im Herbst 2022 schließlich zerstörten, waren sie schon seit Wochen nicht mehr in Betrieb.
Wenn also inzwischen Europa seinen Gasbedarf nicht länger zu 45 Prozent durch russische Importe deckt, sondern nur noch zu 13 Prozent (über die Landleitungen), ist das vor allem Putin zu verdanken. Er hat die Europäer gezwungen, sich Alternativen zu suchen. Sein Ziel, die EU zum Einlenken zu drängen, hat er zwar nicht erreicht. Aber geschwächt hat er die Union durchaus, sowohl wirtschaftlich als auch politisch, wie nicht nur der Widerstand Ungarns und der Slowakei zeigt, die weiterhin auf russisches Gas angewiesen sind.
Daraus folgt: Erst abzuwarten, bis lange bekannte Risiken tatsächlich eintreten, ist am Ende deutlich teurer und schmerzhafter, als sich frühzeitig darauf einzustellen und vorzeitig zu handeln. Das gilt nicht nur für Erdgas, sondern auch für vieles andere, von Seltenen Erden über Halbleiter bis hin zu Cloud-Dienstleistungen. Sicher, das mag wie eine Binsenweisheit klingen. Doch diese Woche hat abermals gezeigt, dass sie noch lange nicht bei allen angekommen ist.
Noch ein Veranstaltungstipp in eigener Sache: Wir laden Sie am 10. Dezember ab 17 Uhr in den Frankfurter F.A.Z. Tower ein. Dort wollen wir mit ausgewiesenen Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutieren, wie eine „Wehrhafte Gesellschaft“ möglich und realisierbar ist. Programm und Anmeldemöglichkeit finden Sie hier.
Wir freuen uns darauf, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie können uns aber auch gern schreiben:weltwirtschaft@faz.de
Australien hat einen Antidumping-Zoll auf bestimmte Stahlbauteile aus China eingeführt, in Höhe von 14,5 Prozent. Er gilt mindestens bis zum 16. Januar 2026. Weitere aktuelle Handelsliberalisierungen und -beschränkungen zeigt unsere interaktive Karte.
Nexperia-Fabrik in Dongguan, China: Zwischen der niederländischen Halbleiterfirma Nexperia und ihrer chinesischen Muttergesellschaft Wingtech eskalierte ein Streit, und China stoppte zeitweilig die Ausfuhr von Chips. Reuters
Die Wirtschaft der Industrieländer werde 2026 etwas schwächer wachsen als 2025, prognostiziert die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). In den USA sinke das Wachstum von aktuell 2,0 auf 1,7 Prozent, in China von 5,0 auf 4,4 Prozent. Die Eurozone verharre zwischen 1,2 und 1,3 Prozent. Eine Erklärung dafür seien die zunehmend spürbaren Auswirkungen der Zölle auf die Konsumlaune.
Der russische Präsident Wladimir Putin wird heute und morgen (4./5. Dezember 2025) in Indien Gespräche mit Premierminister Narendra Modi führen. Themen sind das wachsende Handelsdefizit Indiens durch den Import russischen Erdöls
, die Zusammenarbeit in der zivilen nuklearen Energie und eine gemeinsame Vision für eine „privilegierte strategische Partnerschaft“. Die Verteidigungsminister beider Länder wollen zudem über einen Kauf des russischen S-500-Raketenabwehrsystems sprechen.
China soll keine Importzölle auf französische Milchprodukte und Schweinefleisch erheben. Dafür will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei Chinas Präsident Xi Jinping werben. Die Zölle werden als Reaktion auf die EU-Zölle auf chinesische Elektroautos erwartet. Importabgaben auf Cognac hatte Frankreich bereits teils abwehren können.
Deutschlands Renten sind im Ländervergleich dürftig Alle zwei Jahre trägt die OECD umfangreiche Daten zur Altersvorsorge zusammen. Es zeigt sich: Die Rentenhöhe ist in Deutschland deutlich niedriger als in anderen Industrieländern. Wer es besser und anders macht.
Rückspiegel
Vor 30 Jahren: Microsoft startet den Browserkrieg. Symbolische Daten für eine Ankündigung auszuwählen, ist nicht ungefährlich: Ausgerechnet am 7. Dezember 1995, dem Jahrestag des japanischen Angriffs auf die USA 1942, tritt Microsoft-Chef Bill Gates in Redmond im US-Bundesstaat Washington vor die Presse – um seinen Generalangriff zu verkünden. Und zwar: auf das Internet. Es ist das Signal, dass nun auch große Konzerne das relativ neue World Wide Web ernst nehmen und erobern wollen.
Internetanwendungen sollten für jeden ein fester Teil des Alltags werden, kündigt Gates an. Das Microsoft-System Windows 95 und seine Nachfolger sollten dafür die „Auffahrrampe“ werden. Dafür würden der neue Internetbrowser Explorer und das hauseigene Microsoft Network (MSN) in das weltweit dominierende Betriebssystem integriert.
Geht in die Internetoffensive: 1995 bewirbt Microsoft-Chef Bill Gates das neue Betriebssystem Windows 95 und integriert erstmals einen Internetbrowser.AFP
Die Rede stößt so den sogenannten Browserkrieg an. Denn bis dahin hatten 80 Prozent der Nutzer den unabhängigen Netscape Navigator verwendet, um Internetseiten auf ihren Computern sehen zu können. Nach den Vorgaben der Browser richten sich die Programmierer bei der Erstellung von Internetseiten. Mit dem Browserkrieg entscheidet sich deshalb, wer die Standards im Internet setzt. Drei Jahre später hat der Microsoft-Konzern den Navigator vom Markt gefegt.
Die Verdrängung beunruhigt Wettbewerbswächter sowohl in den USA als auch in Europa. Sie werfen dem Konzern vor, seine Marktmacht missbräuchlich eingesetzt zu haben, um seinen eigenen Browser durchzusetzen, zum Schaden der Verbraucher und des technischen Fortschritts. Zwar muss Microsoft in der Folge Millionenstrafen zahlen, doch die Verfahren ziehen sich zu lang hin,um die Marktmacht der Konzerne im Internet einzudämmen – ein fundamentales Problem, das Wettbewerbshüter bis heute mit anderen Internetriesen wie Google, Facebook oder Amazon haben.